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Der Staat wird nur sparen, wenn er weniger Geld bekommt

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Lieber Daniel Dettling,

in Ihrem lesenswerten Beitrag „Agenda 2010: Wahrheit, Werte, Wachstum“ empfehlen Sie vier Mittel, um aus der Staatsverschuldung heraus zu kommen:

1. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, „sozial gestaffelt nach Luxus- und Alltagsgütern“.
2. Eine neue Steuermoral der Bürger.
3. Eine Erhöhung der Sozialabgaben, auch um den Preis von Arbeitsplätzen.
4. Einen Abbau der Alimentierung der Bürger durch den Staat.

Hm. Zunächst fällt auf, dass es in Ihrer Aufzählung einen systemischen Fehler gibt, nennen wir ihn das Apfel-Birnen-Syndrom. Zwei Maßnahmen nämlich, die Nummern eins und drei, kann die Regierung von heute auf morgen verfügen. Eine Maßnahme, Nummer zwei, kann die Regierung gar nicht verfügen. Ich persönlich, um das vorweg zu sagen, denke nicht daran, freiwillig auf die wenigen Tricks zu verzichten, die es mir ermöglichen, etwas weniger Steuern zu bezahlen als es mein Finanzamt möchte. Es sind bescheidene Kniffe, sie betreffen hauptsächlich die Abrechnung von Restaurantbesuchen und Autofahrten. Aber so lange die Kinder meines Steuerberaters auf meine Kosten umsonst das Gymnasium und die Universität besuchen, so lange das Steuersystem per Ehegattensplitting das Nichtstun der kinderlosen Ehefrau meines Nachbarn belohnt, die auch noch ihre Putzfrau von der Steuer absetzt, so lange junge Eltern mein Steuergeld dafür bekommen, dass sie sich von der Arbeit absentieren, sehe ich nicht ein, weshalb ich mir deshalb einen Kopf machen soll. Womit wir bei Nummer vier wären: Geldtransfers. Hier könnten die Regierungen viel tun, wollen es aber offenkundig nicht.

- Ich klammere also Punkt zwei aus. Denn das Sein bestimmt das Bewusstsein. Wir bekommen eine neue Steuermoral, wenn die Steuer moralischer wird. Solange sie so ist, wie sie ist, würde es allerdings helfen, wenn die Steuerunterlagen öffentlich wären. Wenn also jeder Arbeiter sehen könnte, wie viele Steuern sein Chef zahlt.

- Punkt eins erscheint mir auch problematisch. Wieso ist es „sozial“, wenn man „Luxusgüter“ (was sind das eigentlich?) für die da unten mittels Mehrwertsteuer noch teurer macht?  Eher sollte man sie billiger machen, damit Supermarktkassiererinnen und Krankenschwestern auch mal Bollinger Champagner trinken können. Verbrauchssteuern sind sicherlich ein gutes Mittel, um Einkünfte zu generieren. Sie sind in sich gerecht, weil jeder konsumiert und weil sie – außer in Grenzregionen – schwer zu umgehen sind. Jeder Versuch, hier aufgrund von sozialen oder kulturellen Erwägungen zu differenzieren, führt zu Absurditäten. Bücher zum Beispiel genießen den erniedrigten Mehrwertsteuersatz – auch Bücher, die Besserverdienende mit Ratschlägen versorgen, wie sie Steuern sparen können; auch der Blödsinn, den Frank Schirrmacher und Michael Moore verzapfen.

Wie wär’s mit einer Flatrate? 25 Prozent Mehrwertsteuer auf alles, dafür 25 Prozent Einkommensteuer für alle, keine Ausnahmetatbestände. Dann erledigt sich übrigens die Moralfrage von selbst. Womit wir zum nächsten Punkt kommen:

- Die Erhöhung der Sozialabgaben ist unsozial, weil sie vor allem die Gering- und Mittelverdiener betrifft. Und ja, sie vernichtet Arbeitsplätze. Das ist unverantwortlich in einer Zeit, da die Exportnation Deutschland ohnehin davon ausgehen muss, viele Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie zu verlieren. Bei einer einheitlichen Besteuerung aller Einkünfte wäre eine gesonderte Besteuerung der mittleren und niedrigen Einkommen (denn darum geht es bei den Sozialabgaben) auch nicht nötig.

- Und schließlich: Richtig, Schluss mit der Klientelpolitik. Reduzierung staatlicher Transfers auf die tatsächlich Bedürftigen. Einpreisung aller staatlichen Dienstleistungen zum Zweck ihrer umfassenden Privatisierung, vom Autobahnbau und –betrieb über das Schul- und Hochschulwesen bis hin zum ZDF. (Wie viele Fernsehkanäle und Rundfunksender braucht der Staat eigentlich? Mal ehrlich: Wer schaut arte?) Abschaffung des Beamtentums und der Absetzbarkeit der Kirchensteuer. Regulierung ja, Staatsbesitz nur dort, wo es sein muss (vielleicht bei den Netzen).

Sparen heißt eben: weniger Geld ausgeben. Und das wird der Staat nur tun, wenn er weniger Geld bekommt. Er ist ja auch nur ein Mensch wie du und ich.


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